ABC des Eisstockschießens

wenn „Nackerte“ und „Ringerl“ um die „Daubn“ kämpfen

 

A             wie Augenmaß. Nur wer Augenmaß hat, kann seinen Stock so genau platzieren, dass er den fremden Stock entsprechend trifft. Ebenso ist es notwendig zum Abschätzen, welcher Stock der Daube am nächsten steht.

 

B             wie Brueghel. Erstmals erwähnt ist ein Wurf- und Schubspiel auf dem Eis im 13. Jahrhundert in Skandinavien. Auch die erste Abbildung des Eisstockschießens von Pieter Brueghel dem Älteren aus dem Jahr 1565 kommt aus dem westlichen Norden. Aber vielleicht ist das gemalte Winteridyll nur falsch gedeutet worden. Trotzdem bilden sich die Bayern und Österreicher ein, das Eisstockschießen erfunden zu haben.

 

C             wie Curling. Curling? Ja, das sind die mit dem Wischmopp, die man oft im Fernseher sieht.

 

D             wie Daube. Das Objekt der Begierde, meist rund. Jeder will ihr möglichst nahe sein. Gemäß Eisstock-Regelbuch seit 1978 ein dickwandiger Gummiring mit einer glatten Seite für Sommer/Asphalt und einer profilierten Seite für Eis. Vorher war die Daube ein Holzwürfel mit 10 cm Kantenlänge.

 

E             wie Eis. Das Eis – Kind von Väterchen Frost. Herbeigesehnt von allen „wilden“ Eisstockschützen, die das Schießen auf zugefrorenen Seen, Flüssen und Weihern dem Schießen in Eishallen oder Asphaltbahnen vorziehen, selbst wenn die Bahn nicht perfekt ist. Oft ist das Eissstock-schießen sogar gefährlich, weil das Eis zu dünn ist.

 

F             wie Frauen. Beim „wilden“ Eisstockschießen sind sie selten. Wenn Frauen dabei sind, gibt es zum Glühwein meist auch Plätzchen.

 

G            wie Gaudi. Gaudi gibt es immer beim Eisstockschießen. „Jetzt hamman bei uns dabei, den Pfloutschn!“ (= tollpatschiger, ungeschickter Trampel, dem nichts gelingt). Pädagogen nennen es motivationshemmend, wenn man vom eigenen „Moar“ (= Mannschaftsführer) verhöhnt wird. Aber das Frotzeln gehört zum Eisstockschießen dazu.

 

H             wie Holz. Der Holzeisstock mit dem geschmiedeten Eisenring erlebt neuerdings eine Renaissance, obwohl man überall mit Kunststoffstöcken schießt. „Dees beste Holz ist die Esche. Aa dees Birnbaamhoiz is a guads Eisstockhoiz, aber ned ganz so guad,“ so Alois Gobmeier, Schmied in Pfarrkirchen.

 

I              wie Insiderwortschatz. Der Eisstock-Fachjargon gibt Außenstehenden oft Rätsel aus. Höhnt ein Schütze: „Der derhungert!“, so ist nicht ein Mitspieler ermattest zusammengebrochen, sondern der Eisstock des Verhöhnten hat es nicht bis an sein Ziel geschafft. Es ist ihm der Saft ausgegangen.

 

J              wie Jugend. Die Jugend ist beim Eisstockschießen in der Minderheit. Die meisten finden den Sport zu langweilig. Dies ist natürlich eine Sache der Betrachtungsweise und der vereinseigenen Aktivitäten.

 

K             wie Klimawandel. Wer weiß, wie lange unsere Weiher und Seen noch zufrieren. Manche trotzen dem Klimawandel und gehen ins Eisstadion, wo teure Eisbereitungsmaschinen für optimale Verhältnisse sorgen. Aber das ist alles kein Ersatz für das Erlebnis in der freien Natur, an der frischen Luft. Wo die Bäume und Sträucher im Raureif vom Ufer grüßen, die Sonnenstrahlen das Eis glitzern lassen und wo die Wangen und Nasen der Schützen rot vor Kälte sind.

 

L              wie Lernen. Lernen kann das Eisstockschießen auch ein unsportlicher Mensch. Wer es als reine Freizeitbeschäftigung sieht, braucht weder Kondition noch eine besondere Geschicklichkeit. Typischer Anfängerfehler: Der Eisstock setzt nicht richtig auf und kullert oder purzelt über die Bahn.

 

M           wie Mass. „Ja, dees is a scheene Mass!“ Das ist nicht der Dank für einen gut eingeschenkten Bierkrug, sondern dass der Eisstock perfekt an die Daube angedockt hat. Zum „Schiassn“ braucht es Kraft, zum „Massn“ Gespür…

 

N            wie Nackerter. Ahnungslose Spaziergänger wundern sich, dass immer wieder nach „Nackerten“ gerufen wird, wo doch weit und breit alle warm gekleidet und dick vermummt herumstehen. Um die Stöcke der zwei gegnerischen Mannschaften unterscheiden zu können, bekommen die einen ein Ringerl um den Stiel und die anderen nicht. Das sind dann die Nackerten.

 

O            wie Oberliga. Das vereinsmäßige Eisstockschießen geht das ganze Jahr über, also Sommer wie Winter. Im Sommer auf Asphaltbahnen, im Winter in Eishallen. In den entsprechenden Kreisliga-, Bezirksliga- und Landesligaturnieren kann man bis zur Bundesliga aufsteigen und absteigen.

 

P             wie Politisieren. Wenn es mal wieder etwas länger dauert, weil beim „wilden“ Schießen in 30 Meter Entfernung mit dem Maßband gemessen werden muss, wer „Recht“ hat, dann wird bei den wartenden Schützen zum Zeitvertreib auch gern mal politisiert. Sei es über die Ramschkultur, dass man ein Maßband schon für einen Euro bekommt… „Wahrscheinlich aus China; guat, dass net vo Japan is, kannts ja verstrahlt sein….! A Nackerter kummt!“

 

Q            wie Quittentee. Für einen Tag auf dem kalten Eis braucht man ein heißes Getränk zum Erwärmen. Das muss nicht unbedingt ein Quittentee sein, eher schon ein Jaagertee oder Glühwein. Manch einer lässt sich auch von einem Schluck Hochprozentigem er- / aufwärmen.

 

R             wie Ring. … nicht zu verwechseln mit dem „Ringerl“, dem Gegenspieler des „Nackerten“. Von einer Eisenstange wird in einer Schmiede wie der von Gobmeier ein glühender Eisenring gemacht. „Durch d` Erwärmung dehnt si der Ring aus, wird aufs Holz aufzogn, dann wieder abkühlt, dann ziehgt si s` Eisen zamm, und dann sitzt er optimal.“

 

S             wie Stock. Anfang der 90er Jahre wurde es ruhig um die Holzstöcke, weil die Turnierstöcke aufgekommen sind. „Der macht mia mein guadn Turnierstock kaputt“, weil der Eisenring eines Holzstocks einem Turnierstock durchaus Schrammen zufügen kann. Neuerdings sieht man allerdings wieder einen gewissen Trend zum Holzstock beim „wilden“ Schießen.

 

T             wie Turnier. „Im Turnier geht’s hart auf hart, da hamma Haislschiassn. Da geht scho a bissl de Muffl.“ „Da hast ja deine Haisl, nee .. da is wild scho schena …“ Innerhalb eines Rechtecks von 6 x 3 Meter muss der Stock möglichst nah an die Daube, entsprechend gibt es Punkte. Wer nach 6 Kehren die meisten Punkte hat, ist der Sieger des Spiels.

 

U            wie Überalterung. „Mit 7 hab i ogfangt, jetzt schiaß i scho 68 Jahr Eisstock.“ Hermann ist ein undankbarer Gegner. Jahrzehntelanges Training zahlt sich aus. Die Überalterung ist nur beim „wilden“ Schießen zu beobachten, nicht aber beim vereinsmäßigen sportlichen Eisschützen. Eine Kollegstufen-Facharbeit von Markus Pfaffinger (auch erst Anfang Zwanzig) lässt sich im Internet runterladen (Suchbegriffe über Google: Eisstocksport urbayerische Sportart)

 

V             wie Verein: Unter dem Dach des Deutschen Eisstock-Verbandes sind heute in rund 1400 Vereinen rund 70.000 Mitglieder organisiert. Der erste Eisschützenverein der Welt wurde 1875 gegründet.

 

W           wie Weitschießen. „Bei den Deutschen Meisterschaften im Weitschießen, dem ältesten Einzelwettbewerb im Eisstocksport, traten im Jahr 2008 nur Spieler aus Bayern an.“ Diese Feststellung steht in der Einleitung o. g. Kollegstufen-Facharbeit, um „auswärtigen“ Lesern keine Illusionen zu machen.

 

X             wie X. In Zeiten, wo es noch keine Plastikstöcke gab und keine Scheiben gewechselt werden konnten, hatte ein gewiefter Eisstockschütze ein Werkzeug eingesteckt. „Wenn des Schiassn allzu leicht ganga is, weils a scheens gfrorns Eis war, hod ma einfach a paar X drauf gmacht, dass de Stock härter ganga sand,“ so Erich Moosbauer aus dem Rottal.

 

Y             wie X. Wenn Erich Moosbauer seinen Stock wieder mal bremsen musste, hat er zur Abwechslung auch mal ein Y ins Eis hineingeritzt …

 

Z             wie Zukunft. Wer denkt schon an die ferne Zukunft! Der Eisstockschütze lebt im Hier und Jetzt. Er genießt den heutigen Tag und denkt höchstens noch an morgen: „Also Franz, morgn um hoiwe Zwölfe wieda da!“ – „ Ausgmacht! Mir samma aa wieda da. Ab hoiwe Zwölfe. Wemma no lebn. Servus!“

 

 

Aus Straubinger Tagblatt vom 15.01.11, Feuilleton, von Dr. Joseph Berlinger, gekürzt und leicht verändert wiedergegeben von Xaver Danzer, SV Salching-Eisstock.